Nach einiger Zeit gibt es jetzt endlich den neunten Teil der Geschichte,
viel Spaß damit 😉
Der nächste Tag begann dafür ziemlich trostlos. Ohne große Motivation war ich aufgestanden, hatte einige Minuten regungslos unter der Dusche verbracht und saß jetzt mit meinen Eltern am Frühstückstisch. Ohne Appetit kaute ich auf dem Schokocrossaint rum, das meine Eltern mir mitgebracht hatten. Beide saßen mir gegenüber und schauten mich von Zeit zu Zeit erwartungsvoll an. Ich nahm ihre Blicke zur Kenntnis, doch noch reagierte ich nicht darauf. Was sollte ich ihnen schon groß erzählen? Das ich auf einen Aufreißer reingefallen war, der nur darauf aus gewesen war in einem Urlaub so viel Spaß wie möglich zu haben? Eine tolle Art meiner Mutter zu sagen, dass ich vermutlich auf Kerle stand. Das erschien mir alles ziemlich sinnlos. Ich hatte mich heute Morgen dazu durchringen können endlich die Sms von Eddy zu lesen, doch sie beinhaltete genau das, was ich erwartet hatte. Ausflüchte, noch mehr Lügen und diese noch nicht einmal mit Mühe formuliert. „Ben, lass es mich bitte erklären, es ist nicht so wie du denkst. Du solltest mir wenigstens eine Chance geben und erst danach urteilen.“ Etwas besseres als „Es ist nicht so wie du denkst“ ist ihm wohl nicht eingefallen.
„Du bist wohl immer noch nicht bereit dich uns mitzuteilen.“, seufzte mein Vater.
„Ich weiß einfach nicht was ich euch sagen soll. Ich bin auf ihn reingefallen, mehr nicht. Damit muss ich jetzt wohl leben.“, sagte ich. Innerlich fraß es mich jedoch noch immer auf.
„Auf wen reingefallen? Womit leben? Kannst du mir bitte mal erklären was überhaupt los ist?“, fragte meine Mutter. Diesmal war ich derjenige, der seufzte. Meine Mutter wusste ja noch gar nicht Bescheid. Ich sammelte ein wenig Mut in mir, um ihr zu sagen, dass ich vermutlich schwul war. Irgendwie war mir ihre Reaktion im Moment jedoch ziemlich egal.
„Ich habe mich in Eddy verliebt, aber ihm ging es anscheinend gar nicht um Liebe.“, erklärte ich. Trotz allem war ich froh es endlich ausgesprochen zu haben. Diesmal schaute ich meine Mutter erwartungsvoll an. Doch vorerst blieb eine Reaktion vollkommen aus.
„Du bist also schwul?“, fragte sie schließlich. Ich nickte. Für einen Moment glaubte ich, dass sie mich genauso auf den Arm nehmen wollte wie mein Vater. Doch ihre Miene blieb versteinert. Mein Vater setzte an die unangenehme Stille zu durchbrechen. So langsam sorgt das Schweigen meiner Mutter auch bei mir wieder für einen erhöhten Puls.
„Ben hatte mich gebeten dir noch nichts zu sagen, er wollte es selber tun.“, erklärte er.
An der Miene meiner Mutter änderte sich jedoch nicht viel, sie blieb undurchsichtig.
Endlich sagte sie etwas: „Das ist wirklich eine ziemliche Neuigkeit für mich. Eines sollst du wissen Ben: Ich bin deine Mutter und ich liebe dich, egal was passiert. Aber gib mir bitte ein wenig Zeit damit umzugehen.“ Es war nicht die Reaktion mit der ich gerechnet hatte, nachdem mein Vater es so unglaublich gut aufgenommen hatte, aber es war in Ordnung für mich. „Ok“, gab ich zurück. Meine Mutter erhob sich, gab mir einen Kuss auf die Stirn und ging ins Schlafzimmer.
„Alles in Ordnung?“, fragte mein Vater mich.
„Ich denke sie wird damit klar kommen. Wie sie gesagt hat, ich muss ihr Zeit geben.“
„Und was ist mit Eddy?“, fragte er weiter.
„Er hat mich betrogen. Viel mehr gibt da dazu nicht zu sagen. Das Thema ist durch.“ Mit einem Achselzucken erhob ich mich und ging ebenfalls in mein Zimmer. In Wahrheit versuchte ich nur meine neu aufkommenden Tränen zu verbergen.
Kaum saß ich auf meinem Bett, hörte ich wie es an unserer Haustür klopfte. Jemand öffnete und ich hörte wie ein paar Worte gewechselt wurden, doch verstehen konnte ich nichts. Nicht einmal die Stimmen konnte ich zuordnen, so leise wurde gesprochen. Schließlich wurde die Tür wieder geschlossen, Schritte kamen auf mein Zimmer zu. Es klopfte und gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Eddy stand vor mir.
Damit hatte ich ja nun gar nicht gerechnet. „Was tust du hier? Fuhr ich ihn unwillkürlich an, obwohl ein Teil von mir sich ihm an den Hals werfen wollte. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, dass er ziemlich fertig aussah.
„Ich möchte mit dir reden. Bitte, schick mich nicht gleich wieder weg.“, sagte er. Etwas flehendes lag in seinem Tonfall.
„Also gut, rede. Aber erwarte nicht, dass ich dir glaube was du sagst. Du hast mich benutzt, das ist alles.“ Es war der verletzte Teil von mir der so sprach. Der andere Teil in mir wollte ihm am Liebsten auf der Stelle verzeihen.
„Es tut ziemlich weh wenn du so etwas sagst, ohne überhaupt die ganze Geschichte zu kennen. Ich hatte gedacht du hättest etwas mehr Vertrauen in mich.“, sagte er. Vorwurf schwang in seiner Stimme mit.
„Pff, du willst, dass ich dir vertraue? Du hast mich betrogen, bevor wir überhaupt zusammen waren. Es ging dir doch nur um den Sex, warum sagst du es nicht einfach? Erst Maike, dann ich. Ist doch eine gute Quote oder nicht?“, Zorn kochte in mir hoch. Er war es der mich betrogen hatte und dann wirft er mir noch vor, dass ich kein Vertrauen in ihn hatte. Doch statt es abzustreiten oder zu erklären, schüttelte er nur den Kopf.
„Du hast überhaupt keine Ahnung davon, wie viel du mir bedeutest. Ich will dich nicht verlieren, vor allem nicht so kurz nachdem ich dich gefunden habe.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Jetzt war ich vollkommen Baff. Er machte sich nicht einmal die Mühe mir irgendeine fadenscheinige Erklärung aufzutischen. Was mich jedoch vollkommen verunsicherte, war, dass er genau das ausgesprochen hatte, was mich die ganze Zeit bewegte. Ich wollte ihn nicht verlieren.
Aber ich konnte ihm so nicht mehr vertrauen. Dass er einfach so gegangen ist überraschte mich. Was er wohl vor hatte? Ich schöpfte aus der Begegnung mit ihm Hoffnung. Er hatte vollkommen anders reagiert, als ich das vermutet hatte. Was wenn er mich doch nicht betrogen hatte? Oder die Nummer mit Maike nur eine einmalige Sache gewesen war? Wieder schwirrten viele Fragen durch meinen Kopf, das wurde allmählich zur Gewohnheit. Ich sollte mich ablenken. Dieses ganze Grübeln machte mich noch wahnsinnig! Ich beschloss zum Strand zu gehen. Das Wetter war gut und so lange Eddy nicht wieder auftauchte, machte es sowieso keinen Sinn in der Bude zu hocken. Er würde mich schon finden. Ich sagte meinen Eltern kurz Bescheid und machte mich auf den Weg. Ich wollte allerdings nicht zur Bucht. Dieser Ort stellte für mich irgendwie etwas magisches da, indem die Erinnerungen mit Eddy verankert waren.
Beinahe den ganzen Tag verbrachte ich am Strand oder im Wasser. Ich schwamm, wich Geschossen von spielenden Kindern aus oder lag einfach nur da, sonnte mich und versuchte nicht an Eddy und all das zu denken. Ganz klappte das natürlich nicht und ich erwischte mich immer wieder dabei, mich zu fragen, wie es jetzt weiter geht. Wann immer das vorkam stürzte ich mich einfach ins Wasser und schwamm eine Runde.
Inzwischen war es schon wieder später Nachmittag und ich machte mich auf den Weg zurück. Platt war ich auch, da ich sehr oft schwimmen musste. Ich beschloss kurzfristig einen Umweg über die Hauptstraße zu machen, um mir noch ein Eis zu holen. Meine Eltern hatte ich den ganzen Tag nicht mehr gesehen. Sie liefen wahrscheinlich auch am Strand rum, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass meine Mutter froh war mich eine Zeit nicht zu sehen und allein mit meinem Vater über die große Neuigkeit sprechen zu können. Immerhin war dieser Urlaub vollkommen anders verlaufen als ich mir das gedacht hatte. Von Langeweile konnte jedenfalls keine Rede sein.
An der Eisdiele holte ich mir drei Kugeln meiner Lieblingssorten, Karamel, Malaga und Schoko. Ich wandte mich gerade zum Gehen, da sah ich Eddy an einem Tisch sitzen. Er hatte ein fast leeres Bierglas vor sich und sah vollkommen niedergeschlagen aus. Sein Blick ging ins Leere, er schien mich gar nicht wahrzunehmen, obwohl ich genau in seiner Blickrichtung stand. Was mache ich jetzt? Sollte ich hingehen? Was war vorgefallen? Ich glaubte nicht, dass er nur wegen mir so deprimiert aussah, obwohl es dem nahe kam, wie ich gestern Abend oder heute Morgen ausgesehen haben musste. Auch wenn meine Wut auf ihn noch lange nicht verflogen war, bekam ich Mitleid mit ihm. Ich konnte ihn dort nicht so sitzen lassen. Unsicher ging ich auf ihn zu. Ich wusste nicht was ich sagen oder machen sollte, ich wusste nur, dass ich etwas tun musste.
“Eddy?“, sagte ich, als ich vor ihm stand. Sein Blick schien durch mich durch zu gehen. Auf eine Reaktion wartete ich vergebens. Er nahm noch einen Schluck aus seinem Glas und schaute weiter stur geradeaus.
“Eddy, was ist los?“, fragte ich, diesmal energischer. Jetzt schaute er zu mir hoch. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter, als ich in seine Augen sah. Sie waren rot, als habe er stundenlang geweint, doch das war nicht einmal das Schlimmste. Die Trauer die in seinen Augen lag, war unbeschreiblich. Ich fühlte wie sie auf mich übergriff und reines Mitleid mich durchströmte. Sofort setzte ich mich ihm gegenüber.
„Hallo Ben.“, sagte er schleppend. Es war deutlich, dass er einiges getrunken haben musste.
„Was ist passiert?“, fragte ich erneut. Er zuckte nur mit den Schultern.
„Sie haben mich rausgeschmissen.“
„Wer hat dich rausgeschmissen? Deine Eltern? Weswegen?“, löcherte ich ihn weiter. Der Schreck ihn so zu sehen saß immer noch sehr tief.
„Sie haben gesagt ich sei nichts als eine große Enttäuschung. Wie ich ihnen so etwas antun könne, nach allem was passiert sei, haben sie gefragt.“, mit einem Zug leerte er den Rest des Glases. „Eine Schande für die Familie.“, ich konnte sehen, wie die Tränen in ihm hochstiegen. Ich versuchte mir zusammenzureimen, was diese Informationen zu bedeuten hatten. Hatte er sich etwa bei seinen Eltern geoutet? Er hatte doch so große Bedenken davor gehabt. In dem Zustand werde ich wohl nicht viel aus ihm herausbekommen. Vor allem sollten wir das nicht hier inmitten von Menschen klären. Eddy winkte gerade die Bedienung heran. Er wird sich doch wohl nicht noch ein Bier bestellen wollen? Als die Bedienung den Tisch erreichte kam ich Eddy zuvor.
“Wir möchten Zahlen, bitte.“, sie nickte und verschwand.
“Ich wollte noch ein Bier!“, sagte Eddy.
“Nein, du hast genug. Lass uns gehen, dann klären wir alles andere.“, sagte ich, etwas schroffer als gewollt. Meine Wut auf ihn war noch nicht gänzlich verflogen, viel war jedoch nicht mehr von ihr übrig. Während wir warteten musste ich immer wieder an meinem Eis schlecken, da es mir beinahe schon die Hände runter lief. Der Appetit war mir jedoch vergangen. Eddy begnügte sich damit weiter ins Leere zu starren, dem Ausdruck in seinen Augen nach zu urteilen war er weit entfernt von hier. Die Bedienung kehrte mit der Rechnung zurück und ich zahlte kurzerhand für Eddy. Entsetzt stellte ich fest, dass er sieben Bier getrunken hatte. Kein Wunder, dass er so stramm ist. Obwohl er mich so verletzt hatte, brach es mir das Herz ihn so zu sehen und es machte mich umso begieriger zu erfahren, was passiert war.
“Komm Eddy, lass uns gehen.“, forderte ich ihn auf und er folgte mir bereitwillig. Hin und wieder torkelte er ein wenig, aber wir kamen gut voran. Ich war mir noch nicht sicher, wo ich mit ihm hin sollte. Sollte ich ihn zu seinen Eltern bringen? Vielleicht würden sie ihre Entscheidung überdenken, wenn sie ihren Sohn so sahen. Nein, damit ist Eddy bestimmt nicht einverstanden. Das Beste war vermutlich wenn ich ihn erst einmal mit zu uns nahm. Wenn es ihm morgen wieder besser ging blieb noch genug Zeit alles andere zu klären. Vor allem würde er mir dann erklären müssen, was überhaupt passiert war. Verziehen hatte ich ihm nämlich noch lange nicht.
Als wir am Wohnwaggon ankamen verfrachtete ich Eddy gleich ins Bett. In meins wohlgemerkt. Der Gedanke die Nacht neben ihm zu verbringen löste in mir einen neuerlichen Zwiespalt aus. Mir war noch sehr lebhaft in Erinnerung, wie wir unsere letzte gemeinsame Nacht verbracht hatten. Plötzlich spürte ich seine Berührungen wieder auf mir. Wie er mich küsste, mich streichelte, wie sich sein warmer Körper an meinen schmiegte. Ein wohliger Schauer durchfuhr mich, der gleich darauf von einer Welle Enttäuschung fortgespült wurde. Ich unterdrückte die Träne die in mir hochgeschossen war und seufzte. Wie ich diese Wendung meinen Eltern erklären sollte, wusste ich auch noch nicht. Sie waren noch nicht wieder da, aber es konnte nicht mehr all zu lange dauern, bis sie hier wieder aufschlugen. Eddy hatte nicht einmal protestiert, als ich ihn in mein Bett verfrachtet hatte und ich nahm an, dass er jetzt schon auf dem Weg ins Reich der Träume war. Ich hatte mich derweil in die Küche gesetzt und gönnte mir ebenfalls eine Flasche Bier. Nach den Ereignissen der letzten Tage lechzte einiges in mir danach es Eddy gleich zu tun und mir einfach mal ordentlich die Kante zu geben. Mein Verstand aber war hellwach und überzeugte mit dem Argument, dass das ja auch keine Probleme löste. Meine Gedanken schwirrten gleich wieder zu Eddy zurück. Er hatte mir selbst gesagt, dass er sich vorläufig nicht bei seinen Eltern outen wollte, weil er nicht sicher war, wie sie reagierten. Es war für mich das naheliegendste anzunehmen, dass das der Grund für seinen Rausschmiss war. Doch woher war dieser plötzliche Sinneswandel gekommen? Warum hatte er von jetzt auf gleich all seine Bedenken über Bord geworfen und war diesen Schritt gegangen? Eine Stimme in mir wurde lauter, dass er es für mich getan hatte. Als wir am Morgen kurz gesprochen hatten, hatte er doch davon geredet, dass ich ihm nicht genug vertraue, oder nicht? Hatte er so versucht mein Vertrauen zurückzugewinnen? Meine Gedanken überschlugen sich und die Hoffnung in mir wurde wieder größer. Den ganzen Tag hatte ich versucht nicht über die Geschehnisse nachzudenken, gebracht hat es mir nichts. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als mich der Grübelei hinzugeben. Auch wenn es sinnlos war mir große Hoffnungen zu machen, bevor ich nicht mit Eddy gesprochen hatte. Das laute Schnarchen was aus meinem Zimmer kam, verriet mir jedoch, dass ich auf das Gespräch wohl noch etwas warten musste. Nach diesem Urlaub brauche ich erst einmal Urlaub. Dass dieser Urlaub actionreicher sein könnte, als mein alltägliches Leben hätte ich vorher nicht gedacht. Ob das so gut war, musste sich aber jetzt erst noch zeigen. Je nachdem wie die Sache mit Eddy weiterging. Der Rest des Abends verlief dann noch wenig ereignisreich. Ich blieb in der Küche sitzen und grübelte über alles Mögliche nach, während ich irgendwelche langweiligen Spiele auf meinem Handy spielte. Meinen Eltern gab ich nur spärliche Auskunft darüber, warum Eddy die Nacht bei uns verbrachte, was sie jedoch erstaunlich gelassen hinnahmen. Meine Mutter verhielt sich mir gegenüber noch immer sehr reserviert, damit hatte ich jedoch gerechnet. Von Eddy war den Rest des Abends nicht mehr zu sehen, er blieb im Bett und schlief seinen Rausch aus. Gegen zehn beschloss ich dann ebenfalls ins Bett zu gehen. Ich hatte noch immer ein mulmiges Gefühl dabei neben Eddy zu liegen und das, sowie sein lautes Schnarchen, sorgten dafür, dass ich erst einmal nicht einschlafen konnte. Selbst das Musikhören half mir lange Zeit nicht weiter. Außerdem musste ich die ganze Zeit gegen den Drang ankämpfen meinen Arm um Eddy zu legen und mich an ihn zu kuscheln. Trotz der Schmerzen die er mir zugefügt hatte, war meine Sehnsucht nach ihm ungebrochen. Dennoch vermied ich jede Berührung, bis ich schließlich einschlief … Nur um wenig später wieder geweckt zu werden.
Ich sah gerade noch, wie Eddy den Raum verließ. Der wird doch nicht abhauen? Nein, im nächsten Moment hörte ich die Tür zu unserem Bad. Als er jedoch nach geraumer Zeit nicht wiederkam, beschloss ich nachzusehen. Er saß in der Küche und schaute abwesend auf ein Glas Wasser, das er sich genommen hatte.
“Ist alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig, als ich mich zu ihm setzte.
“Nein, nichts ist in Ordnung, ich habe alles kaputtgemacht.“, sagte er kopfschüttelnd.
“Erklär mir erst einmal was los ist. Dann überlass mir das urteilen.“, forderte ich ihn auf.
“Ich bin ein Vollidiot, das ist los. Erst verspiele ich es mir mit dir, dann bringe ich meine Eltern dazu mich rauszuschmeißen und von Robin will ich gar nicht erst reden.“, erklärte er. Das erste Mal, dass er von sich aus etwas über Robin sagte! Wenn auch nicht viel.
„Warum haben deine Eltern dich rausgeworfen?“, hakte ich weiter nach. Für die Probleme zwischen uns blieb später immer noch Zeit.
„Ich habe ihnen gesagt, dass ich schwul bin und dann meinten sie ich solle verschwinden. Nicht ohne mir vorher zu sagen, was für eine Enttäuschung ich bin und mich wieder und wieder zu fragen, wie ich ihnen so etwas nur antun könne, nach allem was passiert ist.“ Ich konnte sehen, wie er mit den Tränen rang.
„Warum hast du es ihnen überhaupt gesagt? Du hattest mir doch erzählt, dass du nicht sicher bist, wie sie reagieren und sie das womöglich nicht positiv aufnehmen.“, ich fürchtete zu wissen, was er sagen würde. Und wenn er das sagte, was ich erwartete, musste ich meine Position zu ihm radikal überdenken.
„Wegen dir. Du vertraust mir nicht und darum wollte ich dir zeigen, wie wichtig du mir bist. Der Schuss ist wohl voll nach hinten losgegangen.“, sagte er mit einem Seufzer und nahm einen Schluck aus dem Wasserglas. Ich schluckte. Das war leider genau die Antwort, die ich befürchtet hatte. Auch wenn sie mich innerlich beinahe Jubeln ließ und der Teil von mir, der ihm die ganze Zeit hatte verzeihen wollen, sich bestätigt fühlte, so fühlte ich mich dennoch schlecht. Wegen mir hatte Eddy sich mit seinen Eltern gestritten und stand womöglich vor großen Problemen.
“Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Zum Einen berührt es mich, dass du das für mich getan hast, zum Anderen fühle ich mich aber auch schlecht, dass du nun vor solchen Problemen stehst.“, gestand ich ihm.
“Du musst dir keine Vorwürfe machen. Es war meine Entscheidung, nicht deine, dich trifft keine Schuld.“, sagte er.
“Lass uns morgen mit deinen Eltern reden, vielleicht denken sie anders darüber, wenn sie eine Nacht darüber geschlafen haben.“, versuchte ich ihm Mut zu machen. Ich war nah dran ihm zu verzeihen. Ich hatte mich getäuscht. Wenn er nur ein Aufreißer gewesen wäre, dann wäre er wohl nicht ein solches Risiko eingegangen, zumal wir unseren Spaß ja schon hatten.
„Nein, ich fürchte nicht, sie waren in ihrer Wortwahl sehr deutlich.“, gab er resigniert zurück und starrte weiter auf sein Glas.
„Das wird schon wieder, mach dir da mal keine zu großen Sorgen. Wir klären das später in Ruhe, aber lass uns jetzt erst einmal wieder ins Bett gehen, ok?“
„Ich kann auch hier auf der Bank pennen, wenn dir das lieber ist.“, schlug er vor. Mit einem bösen Blick machte ich meine Meinung deutlich, fügte aber noch hinzu:
„Sei nicht albern!“, dann ging ich zurück in mein Bett. Eddy folgte kurz darauf.
Als er sich neben mich legte, hatte ich das große Verlangen mich an ihn zu kuscheln. Es dauerte nur einen Moment, bis ich dem Verlangen nachgab. Ich redete mir ein, dass ich das nur aus Mitleid mit ihm tat, aber in meinem Innersten wusste ich, dass ich schon kurz davor war ihm zu verzeihen. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und schaute ihm in die Augen:
„Wir kriegen das schon wieder hin, ok? Mach dir jetzt keine Gedanken mehr darum.“ Ich gab ihm noch einen Kuss. In dem Moment, wo sich unsere Lippen berührten, fühlte es sich wieder genauso an, wie vor zwei Tagen, als wir uns mitten in der Adria zum ersten Mal geküsst hatten. Es war das gleiche Gefühl. Die gleiche Freude, das gleiche Glück, dass mich durchströmte, und ich merkte, dass mein Vertrauen zu ihm beinahe zurückgekehrt war. Dennoch beließ ich es bei dem kurzen Kuss. Ich kuschelte mich an seinen Arm und schloss die Augen.
„Danke“, sagte er mit bebender Stimme, danach blieben wir beide still, bis wir schliesslich ins Reich der Träume entschwanden. Gemeinsam.